Allgemein

Was ist Männlichkeit?

Was ist Männlichkeit? Brauchen wir überhaupt noch ein Bild von Männlichkeit? Wenn ja, wozu? Was sind männliche Qualitäten? Archetype oder Stereotype?
 

Die Krise der Männlichkeit

Gestern stellte mir ein Mann in einem Gespräch eine interessante Frage: „Was ist für dich eigentlich Männlichkeit? Ich habe nämlich keine Ahnung, was das für mich ist!“  So wie meinem Gesprächspartner geht es vielen Männern und so ging es auch mir lange Zeit. Nicht nur Individuen, auch viele Psychologen bestätigen mittlerweile: Der Mann befindet sich in einer tiefen Identitätskrise. Die alten Rollenvorbilder zerbröckeln oder sind mittlerweile bis ins Groteske verzerrt. Die wenigsten Männer konnten mit Vätern aufwachsen, die ihnen ein tief gefühltes Vorbild hätten sein können.

Wohin kann man schauen, wo findet man ein heiles, gesundes Vorbild für Männlichkeit? Es gibt kaum eines.

Brauchen wir ein Bild von Männlichkeit?

Man könnte auch fragen: Brauchen wir überhaupt ein Bild von Männlichkeit, oder ist das schon an sich altes Denken? Treffen sich heute nicht vielmehr die Geschlechter sozusagen in der Mitte, als Resultat einer inneren Heilung, die jedem Mann auch seine innere Weiblichkeit erschließt? Sollten wir als spirituelle Menschen, nicht überhaupt die äußere Form langsam hinter uns lassen, uns als Seelen begreifen, mit ihrem ganz individuellen Ausdruck?

Oder ist das nicht überhaupt eine rein individuelle Angelegenheit? Ist nicht jeder Mann so anders, dass es eine Verkürzung der Realität wäre, überhaupt von einem starren Konzept wie Männlichkeit auszugehen? Werden hier nicht nur Stereotypen bedient, die entweder aus der Steinzeit kommen, oder durch gesellschaftliche Konditionierung überhaupt erst erschaffen werden?

Ich glaube tatsächlich, dass es vor allem um unseren individuellen Ausdruck als Seele geht. Ich glaube auch, dass ein erwachtes Wesen völlig frei ist, in seinem Ausdruck und frei fließen kann zwischen männlichen und weiblichen Qualitäten. Macht es dann überhaupt Sinn, sie als „männliche“ und „weibliche“ Qualitäten zu bezeichnen? Sind es nicht einfach menschliche Qualitäten?

Das ist natürlich so, aber ich glaube, wenn wir das Konzept recht verstehen und nicht meinen, ein Mann dürfe nur männliche Qualitäten ausdrücken, ist es unproblematisch, von „männlichen“ Qualitäten zu sprechen. Einfach deshalb, weil es ein tiefes archetypisches, kollektives Verständnis dieser Bilder gibt. Männlich ist in diesem Fall eher ein abstrakter, philosophischer Begriff und meint eben nicht nur den physischen Mann. Als solches würde ich diese Begriffe also verstehen: als archetypische Symbole für bestimmte Seelen-Essenzen, Frequenzen und Qualitäten.

Mir gefällt in diesem Kontext das Konzept der „sieben Strahlen der Schöpfung“ sehr gut, dass die theosophische Esoterik eingeführt hat. Nach dieser Vorstellung sind „männlich“ und „weiblich“ nur zwei von 7 Grundfrequenzen aus deren Mischung sich die individuelle Seelenfrequenz ergibt und die sich durch Männer und Frauen gleichermaßen ausdrücken.

Archetypische Bilder

Archetypische Symbole können in einem Bild etwas sehr Komplexes zusammenfassen, das wir durch das Symbol auf einer tiefen, unmittelbaren Ebene verstehen können. Für mich haben diese Symbole eine tiefe Verwurzelung in der Wahrheit, in einer wahren, guten und heiligen Essenz, die das Herz darin ausmachen kann und bewundert, achtet und verehrt. Das Symbol ist kein Götze, sondern ein Verweis auf eine Essenz des Seins, die wir durch das Bild erkennen können.

Lustigerweise haben wir nun das umgekehrte Phänomen: Das Bild von Männlichkeit hat sich so weit von seiner „heiligen“ Essenz entfernt, hat seine Wurzeln in der Wahrheit verloren, so dass viele Menschen fühlen können, dass es leer ist. Es gibt kein unmittelbares, intuitives Verständnis mehr davon, was „männlich“ ist. Stattdessen ist „männlich“ eine leere Hülle geworden, die viele Männern ratlos in den Händen halten und sich fragen: Was ist das eigentlich?

Auch wenn jede Seele individuell ist, glaube ich auch, dass es einen Grund gibt, warum wir in dem einen oder anderen Geschlecht inkarniert sind. Es ist eine andere Erfahrung, eine Möglichkeit, bestimmte archetypischen Essenzen und Qualitäten in besonderer Weise, erfahren, ausdrücken, heilen, reintegrieren, verstehen und erkunden zu können. So wird ein Mann nie die Erfahrung haben, schwanger zu sein und ein Kind zu säugen. Es ist eine besondere Erfahrung in der sich bestimmte Qualitäten ausdrücken.

In letzter Konsequenz führt die Selbsterkenntnis aber in meinen Augen doch an einen Punkt, der uns einlädt, die Identifikation mit der „Rolle“ Mann schließlich aufzulösen, darüber hinaus zu gehen. Aber ich glaube auch daran, dass wir nichts transformieren können, was wir nicht vorher sauber und unverzerrt auszudrücken imstande sind.

Polarität – die tantrische Perspektive

Diese Erfahrungsebene ist dual aufgebaut, das Göttliche drückt sich hier in dualer Weise aus, um sich selbst auf eine ganz reale, manifeste Weise erfahren zu können, die in den höheren Ebenen in dieser Weise nicht gegeben ist.

Als spiritueller Mensch – mit einer gewissen Anhaftung an die absolute Sicht der Dinge – hat mir das anfangs nicht behagt. Ich wollte nicht so richtig spüren, dass ich hier ein Mann bin, habe mich mehr mit den form- und geschlechtslosen, energetischen Aspekten in mir identifiziert. Ich bin eine Seele, welche Rolle spielt es schon.

Für mich hat mich meine Reise zu der Erkenntnis geführt, dass meine Seele sich hier ausdrücken möchte, mitten hineininkarnieren möchte in diese Ebene, ganz im Frieden mit der Dualität und den Beschränkungen der Physikalität. Und ich konnte auch erkennen, dass meine Ablehnung der männlich/weiblich-Dualität vor allem auch daran lag, dass ich mit vielen Aspekten des Mann-Seins ein ganz schönes Ding am Laufen hatte. Einiges meiner Heilung – aber auch viele meiner zentralen Gaben – lag in den Frequenzen, die eben im „Archetypus Mann“ zusammengefasst sind.

Heute erlebe ich auch in meiner Beziehung, welche Schönheit, Würde und Wahrheit entsteht, welch unglaublich atemberaubende Erfahrung, wenn sich zwei Seelen begegnen, die im Frieden sind mit der Polarität. Die es sich selbst und dem anderen ermöglichen, diese unvorstellbare Erfahrung zu machen: Die Erfahrung, dass sich die große Einheit in zwei Körpern begegnet und als Polarität erfährt. Welche Anmut darin liegt, wenn Gott und Göttin sich in die Augen blicken, im Herz des anderen das Ewige erkennen, wenn in dieser Vereinigung die Einheit wieder entsteht, aber reicher, weiser, weil in dieser Einheit nun die Erfahrung der Dualität enthalten und transzendiert ist.

Es ist schwer diese tiefe Ebene in Worten zu fassen, die Schönheit dieser Erfahrung. Und es können 1000 Bücher über die Gleichheit der Geschlechter und Gender-Studies geschrieben werden – diese Erfahrung berührt ein so tiefes Erkennen und Erleben von Wahrheit und Göttlichkeit in mir, dass die Buchstaben solcher Abhandlungen leblos von den Seiten fallen.

Essenzen

Es geht mir also um Essenzen des Seins, bestimmte Frequenzen, auf denen sich das Göttliche ausdrückt und in dieser Welt manifestiert. Es geht mir auch darum, das Spiel zu spielen, was in dieser Erfahrungsebene gespielt wird, sich ganz darauf einzulassen, ohne Anhaftung an Rollen. Ich weiß, dass ich Seele bin, reines Bewusstsein. Ich weiß, dass ich mich auch als Frau ausdrücken könnte. Ich weiß, dass sich durch mich weibliche Qualitäten ausdrücken und ich habe keine Identifikation mit dem Mann-Sein, die mich daran hindert, dies zu tun.

Aber meine Einladung und mein Genuss in diesem Leben ist es eben auch zu schauen, wie sich das Männliche durch mich ausdrücken möchte. Und darum geht es nicht nur hier, sondern in vielen Fällen – nicht um den Versuch einem Bild oder Erwartungen zu entsprechen, sondern um die Frage: Wie drückt sich diese Essenz durch mich aus? Durch mich allein, ganz individuell.

Nachfolgend also eine kleine Zusammenstellung von Essenzen, die für mich den heiligen Kern dessen ausmachen, was ich persönlich als „männlich“ empfinde. All diese Essenzen drücken sich durch Frauen ebenso aus, keine dieser Essenzen vermag ein Wesen, einen Mann oder eine Seele zu definieren. Keine dieser Essenzen definiert, auf welche Weise ein Wesen diese ausdrückt. Es sind Qualitäten, die sich durch uns alle in einmaliger Weise in der Welt zeigen.

 

Männliche Qualitäten

Durchdringende Präsenz

Kristallklare Wachheit, völliges Hiersein, im Körper sein. Eine Präsenz, die den Schleier der Täuschung durchschaut, Menschen in ihr Herz sieht, welche die Welt penetriert und bis in ihren absoluten göttlichen Kern vorstößt. Präsenz, die Wahrheit sieht. Durchdringende gedankliche Tiefe.

Klarheit

Klarheit in der eigenen Wahrheit, Klarheit mit sich selbst, Klarheit über den eigenen Weg, klare Kommunikation, klare Signale, klare Ansagen, klare Handlungen.

Integrität

Völliges Bekenntnis zu sich selbst, der Wahrheit, den eigenen Idealen. Zu sich selbst, seinen Worten und Handlungen stehen. Nicht von Emotionen oder Manipulationen hinweggespült werden. Unbestechlich sein, sich für nichts verbiegen – besonders nicht für die Beziehung, Anerkennung oder Liebe. Die Loyalität zur Wahrheit und zur Bestimmung stehen über allem.

Kreativer Wille

Der Wille zu kreieren, verändern und gestalten. Der Wille zu wachsen, sich zu entwickeln, an sich zu arbeiten, seine Schatten und Wunden zu konfrontieren. Der Wille, die Welt zum besseren zu verändern, die Evolution voran zu treiben.

Kraft

beschützende, haltende Kraft. Geistige, charakterliche, nervliche, mentale, emotionale Kraft. Kraft, auf die man sich verlassen kann, auf die man vertraut und in die man sich fallen lassen kann. Der „Fels in der Brandung“.

Mut

Mut zur Selbsterkenntnis, Mut zur Wahrheit, Mut zu handeln, Ängste zu konfrontieren, Fehler zu machen, Mut in der Welt zu stehen und zu sprechen, Mut „rauszugehen und es zu machen“

Verantwortung

Beständigkeit, Verlässlichkeit, Fähigkeit, zu führen, wenn dies nötig ist, Entscheidungen zu treffen, wenn sie gefragt sind, Konsequenzen zu tragen. Keine Angst vor Irrtum und Versagen.

Heilige Bestimmung/ Krieger der Wahrheit

Handeln in der Welt, in Übereinstimmung mit einer größeren Vision, ein Leben für das Gute und Wahre. Bereitschaft für die eigene Wahrheit zu sterben. Handeln und leben aus der tiefen Kraft der Bestimmung.

Empfindsames, gütiges Herz

Die verletzlichste Stelle des Mannes ist das Herz. Ein geheiltes Herz, das sich nicht aus Angst vor Verletzung verschließt. Ein Herz, das gebrochen ist im Schmerz und als göttliches Herz wiedergeboren wurde, dass alles fühlen und halten kann, furchtlos geworden ist. Ein Herz, dass so offen geworden ist, dass es unverletzlich ist.

Leichtigkeit, Humor

Sich selbst und das Leben nicht so ernst nehmen. Ohne Anhaftung handeln. Neugierig, verspielt und abenteuerlustig sein. Gewissenhaft und forschend sein, ohne verbissen und streng zu werden. Die Göttin zum Lachen bringen über die Komik der Schöpfung.

Die Wahrheit in den Stereotypen

Diese Essenzen sind sicher nicht vollständig, aber für mich persönlich einige der zentralsten. Alle diese Essenzen können wohlgemerkt auch verzerrt werden und dadurch zu Schatten werden – etwa wenn aus Kraft Dominanz wird, aus Bestimmung Kontrolle, aus Integrität ständiges Abgrenzen usw. Auf saubere Weise ausgedrückt jedoch ermöglichen sie es, auch den anderen, weiblichen Pol sich selbst voll zu erfahren, welcher nicht der Schatten, sondern der Spiegel ist.

Ohne allzusehr in die Tiefe zu gehen, wäre der weibliche Pol für mich so etwas, wie umarmende absolute Akzeptanz, Hingabe und Offenheit.

Wir finden die Qualitäten versteckt und verzerrt in vielen populären, zum Teil kitschigen oder romantischen Darstellungen. Und sei es nur der Groschenroman, auf dessen Cover ein muskulöser Mann eine völlig gelöste, hingegebene Frau in seinen Armen hält – so stereotyp es uns erscheinen mag, ich sehe auch die Wahrheit darin. Ich sehe sie auch in den weisen Königen, den furchtlosen Kriegern und den vielen Helden alter und moderner Geschichten. Diese Erzählungen sind in meinen Augen deshalb so erfolgreich, weil es in uns eine Sehnsucht gibt nach diesen Archetypen, nach den Essenzen, die durch sie hindurchscheinen.

Ich sehe es im Paar-Tanz, sei es Tango oder Ballet und an vielen anderen Stellen – und vor allem natürlich im Sex. Selbst in der grotesken, völlig absurden Verzerrung der Pornografie können wir noch verblassende Bruchstücke davon erahnen.

Yoni und Lingam als archetypische Symbole

Die Geschlechtsteile sind für mich weit mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Jeder, der länger Tantra praktiziert und bis in seine mystischen Bereiche vordringt, dürfte ein irgendwie geartetes Erkennen erlebt haben, welches ihm die tiefe Bedeutung und das Potenzial offenbart hat, welches in unserem Schoß verborgen liegt.

Yoni (Sanskrit für Scheide, wörtlich ‚Ursprung‘) und Lingam (für Penis) sind in sich selbst die besten Symbole für die archetypischen Essenzen, sie sind die körperliche Manifestation dieser Essenzen und der Akt der Verschmelzung ebenso.

Was strahlt der erigierte Lingam aus, wenn nicht durchdringende Präsenz, Klarheit, Kraft, Integrität? Und die Yoni, ist sie nicht das perfekte Symbol für völlige Hingabe umarmende Akzeptanz und Offenheit?

Es gibt soviel Verständnis über Polarität, dass wir aus einem bewussten Sex gewinnen können, bis er zu einer Art rituellem, symbolischen Akt wird, der auf sehr tiefe Dinge verweist. Für mich war es als Mann sehr wichtig, meine Männlichkeit auch über den Sex ausdrücken zu können, zu lernen, meine Ejakulation zu kontrollieren beispielsweise – das sexuelle Symbole für Integrität, Präsenz, Verlässlichkeit und Kraft, für die durchdringende männliche Präsenz des Absoluten, die immer da ist für das Weibliche, sie nie im Stich lässt, ihr hilft, ihre Göttlichkeit in der Materie zu erfahren – als Quelle der schöpfenden Kraft in der Welt, zu der sie eine für den Mann so mysteriöse, innige Verbindung hat.

Es gäbe soviel darüber zu sagen, aber es lässt sich besser erfahren als beschreiben.

Jenseits der Polarität

Der geheilte Mann und die geheilte Frau sind in meiner Vorstellung frei, sie fließen frei auf dem Spektrum der Polarität. Und ich glaube auch: Nur wenn wir das ganze Spektrum ausdrücken können, können wir eine der Polaritäten ausdrücken. Kein Mann wird Männlichkeit auf bedeutsame, saubere Weise ausdrücken können, der nicht das Weibliche tief versteht und in sich erkannt hat. Es gibt ein tiefes Paradox, dass wir eine Seite der Polarität nur haben können, wenn wir ihren Spiegel auch nehmen. Niemand kann wirklich führen, der nicht in seinem Inneren totale Hingabe an das Universum, das Göttliche hat, nur dann kann er den Fluss fühlen – sonst wird daraus der Schatten der Kontrolle. Niemand kann wirklich Hingabe sein, der nicht auch gelernt hat, Integrität zu sein, Grenzen zu ziehen – sonst wird Hingabe leicht zu ihrem Schatten der Willenlosigkeit und Aufopferung.

Jede Polarität ist immer auch jenseits der Polarität, da ihr Ausdruck im Äußeren, eine Spiegelung im Inneren nach sich zieht. Es gibt einen Punkt der absoluten Mitte, einen mysteriösen Ort der Offenbarung. An diesem Ort findet wirkliche Meditation statt. Meditation ist nicht allein Präsenz, oder gar Fokus oder Kontrolle. Sie ist aber auch nicht nur Hingabe. Sie liegt genau in der Mitte, eine leidenschaftliche Stille, eine kraftvolle, durchdringende Hingabe, welche die Polaritäten in sich vereint.

Ein Weg zu diesem Punkt in der Mitte, ist die Verwirklichung des ganzen Spektrums der Polarität: Wenn wir alles rechts und links von der Mitte sein können, dann können wir auch die Mitte sein. Und vielleicht nur dann. Der Körper, den wir dieses Leben bekommen haben, ist vielleicht eine Einladung, einen Teil dieses Spektrums besonders zu erkunden und zu kontemplieren und dadurch letztlich Ganzheit zu erfahren. Es ist die Polarität, welche die Einheitserfahrung so wundervoll macht. Und es liegt viel Schönheit im Mann und Frau sein, wenn wir uns das wirklich von Herzen erlauben.

 

Bilder: Nackter Mann – Wikimedia; Held – Avon Fantasy; Shiva-Shakti – Bestimmte Rechte vorbehalten von AlicePopkorn; Shiva Lingam – T.sujatha;  Tanz – Barry Goyette;

 

3 Comments

  • Fred

    Lieber David,
    herzlichen

    Lieber David,

    herzlichen Dank, für diesen Artikel.

    Ich erinnere mich sehr deutlich daran, dass ich in meiner Kindheit immer irgendwie darauf aus war, mich mit anderen zu messen, um aus diesem Messen einen Wert für mich zu ziehen, den ich zu Hause nicht bekam. Wenn ich mir mein Leben heute anschaue, dann wird mir bewusst, dass gerade das Männliche dazu neigt sich zu behaupten, was sicherlich eine Jahrtausend alte Konditionierung ist und immer noch überall praktiziert wird. Das fängt im Kindergarten an und geht in der Schule weiter. Bei fast jedem Spiel gibt es Gewinner und Verlierer – Sport – Gesellschaftsspiele – Politik – Bussines u.s.w. und auch die immer wiederkehrenden Kriege, fast immer von Männern iniziiert, sind auf dieses Messen und Gewinnenwollen zurückzuführen – meine ich.

    Heute bin ich für mich zu dem Schluss gekommen, dass sich meine Männlichkeit primär durch meinen Körper ausdrückt. Denn wenn ich im Ying/Yang, also in meiner Mitte bin, bin ich sowohl weiblich als auch männlich und das fühlt sich sehr gut an. Wie du es in dem tantrischen Absatz beschrieben hast, ist es möglich dieses männliche Machtding und das Messen hinter sich zu lassen, wenn wir unseren eigenen Wert erkannt haben. Wenn mir gegenüber eine Shakti ist, die mich als Shiva wahrnimmt, kann das programmierte Männliche anmutig im Hintergrund verschwinden. Wenn ich das dann auch noch in den Alltag transportieren kann, hat jeder gewonnen. Das gelingt nicht immer, aber immer mehr.

    Alles Liebe Fred 

    • David

      Kreativer Wille

      Hallo Fred,

      ja, Wettbewerb, sich messen in Taten und Worten, sich behaupten sind wohl männliche Eigenschaften. Für mich haben sie einerseits eine evolutionsbiologische Erklärung (Stichwort Alpha-Männchen) und kommen andererseits ursprünglich aus der wahren Essenz des "kreativen Willens" die ich oben beschrieben habe.

      Die männliche Energie will wachsen, verbessern, die Evolution vorantreiben. Sieht diese Energie ein höheres Level an Meisterschaft und Verwirklichung irgendwo, bei irgendwem, ist dies persönlicher Ansporn und Herausforderung selbst zu wachsen, für sich und die Menschheit eine neue Ebene der Verwirklichung zu erschließen.

      Ich hatte in meiner Teenager-Zeit große Angst vor diesem Wettbewerb und es war auch ein harter Schlag für mich. Waren die Jungs-Freundschaften bis zum Einsetzen der Pubertät von großer Innigkeit und Solidarität gekennzeichnet, brach nun plötzliche der Wettbewerb aus. Gute Freunde stellten einander im Beisein von Mädchen bloß, um besser dazustehen. Ständiges Vergleichen von Körpern, Geschlechtsteilen, sportlichen Leistungen begann. Das war eine sehr harte Zeit für mich, auf die ich mit totalem Rückzug reagierte, und damit, dass ich mir Nischen suchte, in denen ich keine Konkurrenz hatte. Auch später habe ich die Konkurrenz und den Konflikt mit Männern immer gescheut und lerne erst heute langsam, dieses raue, brüderlich-männliche Spiel zu schätzen.

      Heute kann ich sehen, dass auch eine Wahrheit darin liegt. Wenn man es spielerischer betrachtet und die Loyalität dabei nicht aufgibt, gehört es vielleicht zum männlichen Weg dazu, dass die Brüder einen hin und wieder anstacheln und motivieren, über sich selbst hinauszuwachsen, seine eigenen Grenzen kennenzulernen, seinen Platz zu finden. Den evolutionären Impuls, das Feuer und den Krieger in sich wirklich erwachen zu lassen. Die ganze Kraft dieser Energie in seinem Leben nutzbar zu machen. Sich absolut der eigenen Qualitäten und Fähigkeiten bewusst zu sein und seine Grenzen zu akzeptieren. Zu erkennen, dass gewinnen und verlieren nur ein Spiel ist, dessen wahres Ziel Evolution ist.

      Mich berührt es zum Beispiel immer an einem wahren Ort, dass in Filmen zu sehen: Den männlichen Krieger, Schwertkämpfer, Indianer, der im Kreis seiner Brüder oder von einem väterlichen Lehrer begleitet durch diese Schule des Wachsens und Scheiterns geht, hin zur Entfaltung seines Potenzials und zur Selbstannahme. Wenn die Glut in die Augen kommt, aus einem Jüngling ein selbstbewusster Mann wird, der weiß wer er ist, der seine Kraft kennt, seinen Mut umarmt hat.

      Aber die Dynamik wird krankhaft und gefährlich, wenn der kreative Wille nicht im inneren durch den weiblichen Spiegel totaler (Selbst-)Akzeptanz ausgeglichen wird. Wenn der Wettbewerb den Selbstwert und die Selbstachtung generieren muss.

      Grüße
      David

       

      • Esther

        Ich bin heute zum ersten mal

        Ich bin heute zum ersten mal auf dieser Seite gelandet und habe auch diesen Artikel gelesen.

        Vielen Dank David für deine Mühe, ich bin beeindruckt, auch von den darunter liegenden Kommentaren.

        Den Artikel über Beziehungen habe ich auch gelesen und ich werde alles andere hier auch noch zu Gemüte führen.

        Weiter so…..

        Grüße Esther