Selbstliebe: Die Innere Zerrissenheit heilen
Alle unsere Wünsche an die äußere Welt sind in Wirklichkeit Wünsche an uns selbst. Für mich war dies eine Erkenntnis, die vieles in meinem Inneren verändert hat. Mein Wunsch danach, bedingungslos geliebt zu werden, wirklich gesehen zu werden, dass meine Grenzen und Bedürfnisse respektiert werden, dass meine Gefühle geachtet und ernst genommen werden – all das war ein Wunsch an mich selbst.
Bin ich selbst in der Lage, mich zu lieben, meine Gefühle so sehr zu achten, dass ich in jeder Sekunde danach handele, für sie einstehe und sie ausdrücke?
Immer deutlicher wurde, dass ich in einer inneren Zerrissenheit lebte. Nicht zuletzt waren es auch die hohen spirituellen Ideale, die dazu führten, dass sich eine Kluft zwischen meinem Sein und meinem Sein-Wollen auftat. Selbstverurteilung und mangelnder Selbstwert waren die Folge.
Zu sich selbst stehen
Mir ist heute klar, dass keine wirkliche Heilung passieren kann, wenn wir nicht absolut zu uns selbst stehen. Dass der Weg der Heilung vor allem ein Weg ist, auf dem wir unsere Selbstliebe so weit ausdehnen, dass sie all unsere Fehler und Wunden bedingungslos einschließt. Dass wir zu allererst einmal Mitgefühl mit uns selbst lernen sollten. Wir sind unser Freund, Liebhaber, unsere Mutter und unser Vater. Wirkliche Heilung ist in meinem Leben dann geschehen, wenn ich mich auf mich selbst verlassen konnte, wenn ich mich selbst in meiner Selbstliebe halten konnte.
Kann ich die innere Zerrissenheit loslassen und sein und lieben, wer ich jetzt gerade bin? Eine wichtige Erkenntnis für mich war:
Ich bin nicht perfekt, aber ich bin perfekt, so wie ich bin.
Wenn ich von Erkenntnis spreche, meine ich nicht eine positive Affirmation, eine mentale Überzeugung, sondern ein tiefes re-integrieren dieses Wissens in mein Sein.
Perfekt zu sein, so wie ich bin, bedeutet nicht, dass ich nicht weiter wachsen möchte. Aber es bedeutet, meinen Weg anzunehmen und seine Herausforderungen und Aufgaben. Es bedeutet, diesem Weg, dem Leben zu vertrauen, dass mein Prozess aus der gleichen Perfektion kommt, wie alles in diesem Universum. Es bedeutet die Bereitschaft, mich selbst voll zu erfahren, so wie ich gerade bin.
Jenseits von Heilung?
Es gibt einen Platz in uns, der sich stets jenseits von Heilung befindet. Wir sind multidimensionale Wesen und unsere höheren Aspekte sind bereits und waren immer schon vollkommen. Die Idee, Heilung zu benötigen, ist eine Idee, die nur auf der persönlichen, der drei- und vierdimensionalen Ebene Realität hat.
Es besteht für viele Menschen mit dieser Erfahrung die Verlockung, die Notwendigkeit für Heilung ganz zu negieren. In einem Kommentar zu einem Interview, dass ich gerade geführt habe, schrieb eine Leserin:
"Das Gefühl, an etwas arbeiten zu müssen, kommt nur vom Mangel-Verstand. Das, was ist (unsere wahre Natur) hat kein Problem an sich. Vielleicht taucht Schmerz darin auf, vielleicht das, was man Schatten nennen könnte, vielleicht das Gefühl, immer mehr zu wollen… aber all das sind an sich nur Phänomene, nur der Verstand macht sie zu einem Problem."
Das ist eine sehr verlockende Sichtweise, die Advaita-Falle, in der die persönliche Ebene als irrelevant abgetan wird. Diese Sichtweise hält die verschiedenen Ebenen unseres Seins getrennt voneinander, statt die sie vollständig ineinander zu integrieren. Entscheiden wir uns jedoch für die Integration, wird unser Selbst immer mehr der Verzerrungen in unseren energetischen Körpern auflösen, um sich durch diese Strukturen ausdrücken zu können. Unsere Persönlichkeit wird transparent für das Licht unserer höherdimensionalen Aspekte.
Die innere Sonne
Trotzdem ist die Erkenntnis, dass wir in jedem Moment auch jenseits von Heilung existieren auch für mich eine sehr wichtige. Es gibt zwei Arten, wie wir Heilung betrachten können:
Die erste wäre, dass wir uns wie durch Zwiebelschalen von außen nach innen durch unsere Verzerrungen arbeiten, um schließlich zu unserem wahren Kern zu gelangen.
Die zweite ist, dass wir uns mit diesem inneren Seinskern verbinden und uns diesem immer tiefer hingeben. In jedem Moment leben wir in der Absicht, von diesem Platz der Wahrheit aus zu leben, dieser bereits bestehenden inneren Ganzheit. Von diesem Platz der Selbstliebe aus scheint unser Licht nach außen durch die Zwiebelschalen und löst sie sozusagen von innen auf.
Der Unterschied ist, dass unser Bewusstsein in der ersten Variante sehr auf der Problem-Ebene fixiert ist, was die innere Zerrissenheit fördern kann. In der zweiten versuchen wir, in Verbindung zu unserer Seele zu leben und diese unser Leben durchtränken zu lassen. Wir sind genährt von diesem Licht der inneren Sonne. Und auch wenn sich manche Wolke davor schieben wird, verlieren wir nie die tiefe Liebe und Achtung vor uns selbst.
Es ist eine Frage, womit wir uns identifizieren.
Ehrlichkeit
Man kann die innere Zerrissenheit nicht durch Affirmationen oder Willenskraft heilen. Es ist in meiner Erfahrung vor allem Hingabe und ein aus-dem-Weg-gehen. Es ist eine Verbeugung vor unserer eigenen Macht und Größe. Wir alle tragen unser eigenes göttliches Licht in uns. Wir sind alle göttlich und brauchen kein anderes Licht als das unseres Selbst.
Es macht aber auch keinen Sinn, sich dies einreden zu wollen. Es geht wieder einmal darum, es zu fühlen. Kann ich meine Göttlichkeit wirklich wahrnehmen, fühle ich, was ich wirklich bin, auch wenn es mir nicht immer gelingt, dies auszudrücken?
Viele von uns leben mit dem Wissen, dass sie so viel mehr sind, als sie derzeit auszudrücken imstande ist. Viele Menschen berichten mir, wie viel Liebe, Größe und Erhabenheit sie manchmal in sich spüren. Dass sie sich selbst spüren können, diese energetische Qualität, die sie in ihrem Wesen sind.
Wenn wir diese Qualität in uns spüren können, ist die Einladung, sich ohne Selbstzweifel, diesem inneren Wissen hinzugeben, sich in seine eigene Energie und Liebe, in sein eigenes Herz zu verlieben. Dies allein kann die Brücke bauen, durch die wir die innere Zerrissenheit schließlich überwinden.
Bilder: Evening Sun: Alex Polezhaev
2 Comments
Melanie
Das Leben spielt schon
Das Leben spielt schon komisch…ich muss gerade schmunzeln…beim Lesen des Zitats der Leserin oben dachte ich gleich, es kommt mir bekannt vor….
..und habe eben so lange recherchiert, bis ich es tatsächlich als von mir geschrieben fand-
damals beim Abdi Assadi-Interview. (c) 😉
Und ich muss auch schmunzeln, weil diese Falle, die du im Text oben beschreibst, mir noch immer sooo bekannt vorkommt- dieser Mechanismus, wieder hineinzutappen aus Angst, sich dem Schmerz wirklich endgültig zu stellen, ist wirklich ziemlich stark.
Und doch- der Schmerz verschwindet nie. Mooji, den ich immer wieder geneigt bin, zu meinem Guru zu machen, wenn die Lebensumstände gerade schwierig werden und sich viel Schmerz aufbaut, sitzt auch so verlockend, so zu-Frieden in seinem Guru-Sessel……und so viele Konzepte Advaita betreffend sind einfach absolut faszinierend für den Teil in uns, der vor dem Dunkel, dem Schmerz, dem Leid im Leben einfach panische Angst hat.
Vielleicht ist es auch unser verletztes Kind, das sich einfach eine heile Welt wünscht….. Es ist für mich auf jeden Fall so spannend zu beobachten, dass obwohl auf Verstandesebene dieser Mechanismus der Schmerzvermeidung schonmal verstanden wurde…etwas in uns doch immer wieder da hin geht, den Schmerz zu vermeiden.
Und genau betrachtet, ist ja auch dieser Mechanismus ein ganz natürlicher,…auf körperlicher wie auch auf geistiger Ebene. Einerseits weichen Lebewesen dem Schmerz aus natürlichem Instinkt heraus aus, andererseits geht es aber auch um Integration, um Annehmen.
Wir können es annehmen, das wir eben jeder so viele verschiedene, oft rein unbewusst laufende Programme haben, die den Schmerz ausblenden und nicht fühlen wollen…
Und wir können auch den Schmerz an sich annehmen…
Welches davon (oder sind es doch beide?) entspricht uns wirklich?
Für mich immernoch eines der spannendsten Themen, die es gibt…der Umgang mit Schmerz, Ängsten, Schattenseiten…
Lieben Gruß-Melanie
Melly
Lieber David,
Vielen dank für
Lieber David,
Vielen dank für deine Ehrlichkeit über Ehrlichkeit….es tut mir gut, deine Texte zu lesen, wollte deswegen nur sagen: danke für dein sein und tun!! Freu mich auf mehr