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Warum Akzeptieren nicht funktioniert.

Von allen spirituellen Konzepten gibt es wahrscheinlich wenige, die so subtil Leid und Schaden anrichten können, wie die Idee des Akzeptierens. Es ist immer wieder erschreckend, wie sehr sich Menschen selbst quälen oder emotional abspalten können, nur um dieses Konzept aufrecht zu erhalten.

Falsch verstandene Akzeptanz

Falsch verstandene Akzeptanz kommt in zwei Extremen: entweder ein perfektioniertes Ertragen, oder in Form einer als spiritueller Gleichmut verklärten emotionale Abspaltung.

Häufiger scheint mir letztere Variante zu sein. Dahinter steht vermutlich meist die Idee, das spirituelle Menschen keine negativen Gefühle haben und den Film ihres Lebens überhaupt nur aus der sicheren Entfernung gleichmütiger, passiver Präsenz betrachten sollten.

Nach einiger Zeit einer solchen Praxis hat man das so sehr perfektioniert, dass man tatsächlich keine Widerstände mehr merkt. Der Emotionalkörper ist quasi völlig abgekoppelt und man existiert in einem gleichgültigen und blutleeren Zustand, den man sich selbst als spirituelle Präsenz verkauft.

Man hat erfolgreich gelernt, Widerstände und Emotionen einfach „wegzumachen“ und flüchtet sich in einen Raum kühlen, mentalen Friedens, der dann als oftmals als besonders präsent oder non-dual umetikettiert wird. Gefühle nimmt nicht mehr tief im Körper wahr, sondern nur noch dumpf aus der Ferne.

Der Preis dafür ist hoch: Sowohl natürliche Freude, als auch Sanftmut, Empathie und echte menschliche Nähe sind in diesem Modus nicht mehr zugänglich. Die eigene Kälte und Härte merkt man aber selbst nicht mehr und versteckt sie auch nach außen meist recht gut hinter einer hübschen spirituellen Fassade, die mit reichlich schlauen Zitaten geschmückt ist.

Das Schlimmst ist jedoch, das auch echtes spirituelles Wachstum in diesem Zustand ab einem bestimmten Punkt fast nicht mehr möglich ist, weil er die Integration von Seele und Körper verhindert.

 

Der Seele zuhören

Die sogenannten negativen Emotionen sind immer ein Zeichen, dass wir durch einen Filter sehen, und mit etwas identifiziert sind, was nicht in Übereinstimmung mit unserem wahren Wesen und unserer höchsten Wahrheit ist. Das können Emotionen aus der Vergangenheit sein, Karma, alte Glaubenssätze oder wie immer man es nennen möchte – im Kern ist es irgendeine Form von Verspannung und Identifikation.

Negative Emotionen treten auf, wenn „etwas nicht stimmt“, wenn wir uns aufgrund unserer Identifikation, Filter oder alter Glaubenssätze ein Erleben kreieren, was nicht in Resonanz mit unserem Selbst ist. Sie sind immer ein Hinweis und eine Aufforderung an uns, etwas in uns anzuschauen und eine neue Art zu sein und zu handeln in uns zu entdecken. Als solches sind negative Emotionen wichtige Hinweise auf unserem Weg, die nicht unbeachtet bleiben sollten.

Der natürliche Verlauf unserer Entfaltung ist stetige Bewegung, Veränderung und Expansion. Wenn wir auf dieser Reise an Punkte geraten, wo wir stagnieren, uns im Kreis drehen und in alten Mustern verstrickt bleiben, vergangene Erfahrungen sich aktivieren, sinkt unsere Energie und negative Emotionen setzen ein.

Wenn man nun beginnt, diese Emotionen entweder zu „ertragen“ oder wegzuakzeptieren, sie also entweder nicht wirklich anschaut oder aber in spiritueller Würde erträgt und reglos in der Situation verharrt, ist das Ergebnis in beiden Fällen absolute Stagnation und völliger Stillstand auf dem spirituellen Weg. Dies führt dazu, dass die gleiche Situation immer und immer wieder erlebt wird.

 

Heilsames akzeptieren

Aber Moment: Sagt nicht jedes spirituelle Buch, das man Gefühle akzeptieren muss, um sie zu heilen?

Das stimmt, sogar sehr, aber akzeptieren heißt eben nicht wegmachen. Akzeptieren heißt anerkennen und fühlen, nicht der Versuch, den Widerstand loszulassen, sondern tief in den Widerstand hineinzufühlen und zu schauen, wo seine Quelle ist. Die Verspannung in unserem Körper und unserem Feld wahrzunehmen und dabei extrem fein und wach zu bleiben.

Heilung passiert in meiner Erfahrung dann, wenn ich eine Spannung absolut intim fühlen und gleichzeitig die Frequenz meiner Seele halten kann – wenn ich also wach bleibe und mich selbst in, durch und jenseits dieser Spannung wiederfinden kann . Wenn ich mich an mich selbst erinnere, wo ich mich zuvor vergessen hatte.

Akzeptanz bedeutet auch nicht, das dramatische Suhlen in Emotionen, sondern wirklich wach zu bleiben in den Emotionen. Beide Teile sind wichtig: Bloß zu fühlen erzeugt nur Leid, bloß die höhere Wirklichkeit zu betrachten Stagnation.

Akzeptanz ist weder ein Identifiziert-sein noch ein Abspalten von etwas, es bedeutet, ganz nah mit dem zu sein, was ist und durch alles, was da ist hindurch wach und verbunden zu bleiben.

Der Weg des Akzeptierens

Ich verwende dafür oft das Bild eines Wirbelsturms: Außen ist es ruhig, die Wand des Sturms ist Chaos und im Auge des Sturms ist es wieder ruhig.

Wenn wir die Wand des Sturms berühren und sofort wieder einen Schritt zurücktreten, bleibt der Sturm wo er ist und wir können nicht weiter, weil der einzige Weg durch den Sturm hindurch führt. Wir haben dann zwar unsere Ruhe, werden aber in regelmäßigen Abständen immer wieder an den selben Punkt kommen.

Wenn wir in die Wand des Sturms treten, dort stehenbleiben und zu zappeln und zu jammern anfangen, haben wir zwar enorme Schmerzen, heilen aber gar nichts, sondern kreieren nur sinnloses Drama.

Wenn wir in den Sturm treten, die Wand absolut wach fühlen, gleichzeitig aber die Verbindung zu unserem Frieden halten und noch einen Schritt weiter in den Sturm hineintreten, erreichen wir das Auge des Sturms und alles fällt in sich zusammen.

Die oberen beiden Varianten werden oft als Akzeptieren verkauft, wobei sie eigentlich im ersten Fall Flucht und in zweiten sinnloses Drama sind. Akzeptanz ist weder Abspaltung noch Ertragen, sie ist bewusstes und liebevolles spüren und wahrnehmen von dem, was ist. Sie ist der absolute Mittelpunkt zwischen völliger Hingabe und völligem Willen zur Transformation.

Von Akzeptanz zu Stillstand

Zuletzt führt die Praxis des Wegakzeptierens auch dazu, dass wir den evolutionären Impuls zu Veränderung gleich mit wegmachen.

Um es etwas zu vereinfachen, könnte man sagen, Emotionen kommen aus der Vergangenheit, Gefühle aus der Gegenwart. Es gibt durchaus Widerstände und Verspannungen, die authentische Gefühle sind, die uns helfen, zu fühlen, was für uns stimmig und in Resonanz und was falsch ist.

Eine Überbetonung von Akzeptanz kann dazu führen, über die Zeit passiv zu werden, das Gefühl für die eigene Leidenschaft und Liebe und damit den eigenen Lebensweg zu verlieren. Passivität ist keine spirituelle Tugend, auch wenn die moderne Spiritualität das oftmals zu suggerieren scheint. Vielmehr nimmt sie uns den Kontakt zum evolutionären Impuls nach Wachstum, Ausdruck und Veränderung, der in uns allen wohnt und wirkt. Wenn Akzeptanz zu „Ertragen“ mutiert, hält sie uns in einer völlig destruktiven, endlosen Schleife fest. Wenn der Glaube, alles akzeptieren zu müssen in ein Konzept ausartet, geht leicht das Gefühl für den authentischen Impuls zu handeln verloren.

Wir alle fließen aus einer kreativen Quelle und der Strom unserer Seele hat einen starken schöpferischen, gestaltenden Impuls. Wir sind Ausdruck dieser Quelle, die sich durch uns sprudelnd in der Welt entfaltet. Gefühle sind unser spirituelles Navi, das uns zeigt, wann wir in diesem Strom sind und wann auf dem Holzweg.

Zu versuchen, ständig gleich-gültig zu sein, ist in meinen Augen ein völliges Missverständnis unseres Wesens als Seele. Ja, im tiefsten Inneren sind wir die Quelle, reines Gewahrsein, völlige Leere und Stille, aber der eigentliche Witz ist, dass diese Quelle uns erschaffen hat, um sich zu erfahren und auszudrücken. Dort ist alles still, hier ist alles Ausdruck. Es geht nicht darum, dass Wasser rückwärts gegen den Strom zurück in die Quelle zu drücken, sondern die Quelle zu sein, während wir fließen.

Akzeptanz ist weder Ertragen noch noch Wegmachen, sie ist der fühlende, wache Strom unseres Bewusstseins durch die menschliche Erfahrung hindurch, die Bereitschaft, absolut hier zu sein, absolut verkörpert zu sein und die menschliche Erfahrung zu machen.

 

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